Mit Ionuț Radu verhielt es sich bislang ungefähr so, wie mit dem „ţ“ in seinem Vornamen. Man wusste, dass es ihn gibt, man achtete penibel darauf, ihn ja nicht zu vergessen, schenkte ihm aber darüber hinaus nur wenig Beachtung. Das hat sich seit Mittwoch, 27. April geändert.
Bis zur 81. Minute war sein Auftritt alles andere als denkwürdig gewesen. Zwar hatte er einen Gegentreffer kassiert, war aber ansonsten so wenig beschäftigt, dass sein Einsatz eine Randnotiz geblieben wäre. Handanovič war wegen Rückenproblemen ausgefallen, Radu sprang kurzfristig ein – das war’s aber auch schon. Wäre das Spiel 1:1 ausgegangen, niemand hätte Ionuț dafür belangen können.
Die Welt braucht Chok
Es gibt eine berühmte Szene in Hangover 2, in der der Vater der Braut eine wenig schmeichelhafte Rede über seinen künftigen Schwiegersohn Stu hält und ihn mit farb- und geschmacklosen Reis vergleicht. Sie endet damit, dass die Welt Menschen wie Stu braucht, die ihren Job machen und ansonsten nicht weiter auffallen. Auch wenn das im Film furchtbar gemein und gehässig angelegt ist, Radu hätte sich gewünscht, in Bologna Chok zu sein, anstatt zur Zielscheibe von Hohn und Spott werden.
Debüt in der Serie A mit 19
Laut Transfermarkt liegt sein aktueller Wert mit rund 4 Mio. genauso niedrig wie seine Einsätze für Inter Mailand – ganze fünf Spiele hat er bislang für Inter Mailand gemacht: vier in der Serie A und eins in der Coppa Italia. Gewusst? Ja, natürlich, aber na ja, irgendwie vergessen. Chok halt.
Dabei hat er für seinen Verein treue Dienste geleistet, wenn auch nur für die Jugendteams. Mit 15 Jahren kam er aus Rumänien nach Italien, um erst für ein halbes Jahr bei Pergolettese (auch so Chok-Verein) anzuheuern, bevor zu Inter Mailand in die Jugend wechselte. 2013 war das, im Fußball heutzutage also vor einer halben Ewigkeit. 2016 gab er – unter Roberto Mancini – am letzten Spieltag der Saison sein Debüt in der ersten Mannschaft.
Es war eine 1:3-Niederlage gegen Sassuolo, er wurde in der 72. Minute eingewechselt, Inter am Ende Vierter. Knapp daneben, was die Qualifikation zur Champions League angeht, für Italien gab es damals nämlich nur drei Startplätze in der Königsklasse. Aber immerhin, Radu war ohne eigenen Gegentreffer geblieben, hatte seinen Soll erfüllt und träumte höchstwahrscheinlich davon, am Beginn einer vielversprechenden Karriere zu sein.
Leider hat sich die weitere Entwicklung verlaufen, es folgte, was in Italien das Schicksal vieler (junger) Spieler ist, nämlich die Dauerausleihe an andere (oft unterklassige) Vereine. Avellino, Genua und Parma hießen in seinem Fall die Zwischenetappen. Gar nicht mal so schlecht, seine „gavetta“, also die Zeit, in der man sich seine Sporen verdient und hocharbeitet. In Genau sieht es zwischenzeitlich sogar einigermaßen gut aus und Radu wird Stammkeeper. Inter entschließt sich, ihn zurückzukaufen und wieder in seinem Kader zu integrieren. Vielleicht wird das noch was mit ihm, denken sich alle Beteiligten. Aber da ist noch Laser-Blick Handanovič, der, auch wieder so Italien-typisch, an seinem Stuhl klebt und seinen Platz nicht räumen will, für die nachrückende Jugend.
Die ist mit 24 für einen Torwart noch nicht vorbei, nach diesem Abend dürfte es aber schwer werden, noch Fürsprecher zu finden, weshalb er weitere Spiele für Inter machen oder ihm so schnell wieder eine weitere Chance geben sollte. Ich persönlich würde ihn gerade deswegen am Sonntag gegen Udinese aufstellen.