Im ausverkauften Stadio Olimpico wurde gestern der zweite Titel in dieser Saison ausgespielt. Wieder einmal war es ein Derby d’Italia, wieder einmal ging es in die Verlängerung und wieder einmal war der Sieger Inter, der sich mit einem 4–2 nach Verlängerung damit zum achten Mal die Coppa Italia holt.
Gleich zu Beginn (6.) war es Nicolò Barella, der mit einem sehenswerten Schuss von der Strafraumgrenze die verdutzte Juventus-Abwehr überraschte und für die Führung sorgte. Prima, so bekam der Abend, der nicht allzu viel versprach, von Start weg eine gute Wendung.
Apropos versprach und apropos nicht allzu viel versprechen. Es soll ja Juve-Fans geben, die an diesem Abend erst gar nicht einschalten wollten und viel lieber in der Nase bohrten oder die Google I/O im Stream verfolgten. Aber das ist eine Familien-interne Geschichte und gehört nicht hierher oder eigens an anderer Stelle in Ruhe erzählt. Jedenfalls, das Finale der Coppa Italia, das im Vorfeld oder im Anschluss wahlweise als „total wichtig“ (Sieger) oder „unnützer, kräfteraubender Freizeit-Pokal“ (Verlierer) bezeichnet wird, forderte den nötigen Respekt ein.
Auch im Anschluss vermied man es von der eines Finale würdigen Kulisse (ausverkauft, gute Stimmung, aber auch viel geschmackloses Brimborium im Vorfeld, furchtbar pathetisches Absingen der Nationalhymne wie bei US-Sportveranstaltungen etwa) in das typisch italienische Taktik-Kalkül zurückzufallen. Mit einer einzigen, aber entscheidenden Ausnahme im weiteren Verlauf, aber der Reihe nach.
Munteres Spiel, aber auch brotlose und selbst gefällige Kunst in Halbzeit Eins
Frühe Führung, die dem Spiel guttut, Dosenöffner und andere Phrasen dürft ihr euch an dieser Stelle selbst ausdenken, danach entwickelte sich das (Inter-)Spiel schleichend in eine bestimmte Richtung, die in dieser Saison zu den wenigen Konstanten gehören. Ich nenne diese Konstante gerne „Inzaghi, du gehst mir mit deiner lockeren, auf Augenhöhe mit den Spielern argumentierenden Art auf die Nerven, ich will Conte zurück, der jeden auf und neben dem Platz sofort zusammenscheißt, wenn er auch nur an einen Fehlpass denkt“.
In zwei Minuten fast alles verspielt
Von Minute zu Minute lässt die Intensität nach, in Konzentration und Ausführung der Aktion schleicht sich ein „gemütliches“ Moment ein. Das mag zunächst einmal sogar beruhigend auf die Nerven wirken, auf dem Sofa sitzend kommen Gedanken nach einer kurzen Pinke-Pause auf; ich kontrolliere auf dem Handy, was die Juve-Verwandtschaft an Kommentaren zu bieten hat, bis mir bewusst wird, dass dies nur der Auftakt ist, für das, was noch kommen wird. In die Halbzeit rettet man sich noch unbeschadet. Pinkelpause genehmigt.
Zwischen der 50. und 52. Minute die Wende, die fast obligatorisch ist. Inter gibt das Spiel aus der Hand und belohnt Allegris Abkehr von seinen defensiven Gewohnheiten. Es schmerzt zu sagen, aber zu diesem Zeitpunkt völlig verdient. Zum Glück aber meint der alte Fuchs bereits ab der 60. Minute das Ergebnis verteidigen zu müssen und schaufelt sich damit sein eigenes Grab.
de Ligt in Höchstform
Höchstwahrscheinlich rechnet jeder damit, dass ich die VAR-Entscheidungen verteidige und darauf hinweise, dass sie rechtens sind. Dass der Fehler nicht beim Video-Schiedsrichter zu suchen ist, sondern beim Spieler und denen, die 80 Millionen für einen Abwehrspieler ausgeben, ohne ihm klarzumachen, wie man sich in einem italienischen Strafraum zu verhalten hat. Stattdessen sage ich es lieber mit euren eigenen Worten und lasse sie unkommentiert stehen.
Ivan, Du bist so schrecklich gut!
Dieser Spieler hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Wandlung durchgemacht – von der launischen Diva zum verlässlichen und unermüdlichen Dauerläufer, auf den man sich verlassen kann, wenn die Mitspieler sich eine Auszeit nehmen. Es ist nahezu unfassbar, welches Tempo, Pensum und technische Raffinesse der Kroate am Ende einer Saison, in einem Spiel, das in die Verlängerung geht, an den Tag legt. Dass Inter in den zusätzlichen 30 Minuten kurzen Prozess mit Juventus macht, ist zu großen Teilen Perišić zu verdanken. Erst hämmert er den Elfer eiskalt in die Ecke, auch weil Inzaghino aus alter Gewohnheit meint, Martínez und Çalhanoğlu auswechseln zu müssen, und damit die beiden gewohnheitsmäßigen Elferschützen. Kurze Zeit später schließt er einen sehenswerten Gegenangriff mit Bravour ab. Mit 33 Jahren befindet er sich wahrscheinlich in der Form seines Lebens, hat aber von der Inter-Führung noch keine Verlängerung seines auslaufenden Vertrages bekommen.
Worauf er in einem Interview nach dem Match auch ohne große Umschweife hinzuweisen weiß. a ist sie halt, die alte Diva – wir wollen dir aber gerne verzeihen!